29.8.22 Montag 21. Tag Payerne – Moudon 22,2 km
Heute konnte man sich wirklich nicht verlaufen. Wer es liebt, an einem kleinen Flüsschen entlangzulaufen, für den ist diese Etappe genau richtig. Es ging an der „la Broye“ entlang, keine Höhenmeter störten den Schritt. So konnte ich mal wieder Meter machen, ohne viel Anstrengung. Das tat den Füßen gut.
So war ich bereits 14:00 Uhr im Hotel, in dem außer französisch keinerlei andere Worte gesprochen wurden. Das Zimmer konnte ich bereits auf französisch am Telefon reservieren, ich bin richtig stolz. Trotzdem finde ich es komisch, wenn im Gastgewerbe keinerlei Fremdsprachen gesprochen werden. Dabei bin ich noch nicht einmal in Frankreich, sondern immer noch in der Schweiz.
Morgen geht es Richtung Lausanne, da sieht es ziemlich düster aus mit preiswerten Übernachtungsmöglichkeiten. Ich habe ein Zimmer über Booking.com gebucht und bezahlt, dann kam die Nachricht, das Zimmer sei nicht mehr verfügbar und ich bekomme den Betrag zurück erstattet. Auf den Auslandsgebühren werde ich wohl sitzen bleiben. Schöner Mist. Ich werde wohl in die Jugendherberge gehen, allerdings muss ich da wohl ein Stück fahren, sonst wären das über 30 km. Schaun wir mal.
30.8.22 Dienstag Moudon – Lausanne 22 km
Ja, ich weiß, von Moudon nach Lausanne in die Jugi sind es etwas mehr als 30 km. Die wollte ich meinen Füßen aber noch nicht zumuten, daher bin ich ein paar Stationen mit dem Bus nach Montpreveyres gefahren. Die Übernachtungsmöglichkeit in Epalinges war nicht verfügbar und das Drama mit Booking.com hab ich ja schon beschrieben. So blieb als bezahlbare Unterkunft nur die Jugendherberge in Lausanne.
Der Weg war schön, viel Wald mit weichem Waldboden statt des gewohnten Schotters. Was für eine Wohltat. Es ging durch eine schöne Schlucht und danach eine Treppe zur Autobahn hinauf. Etwas später sah man bereits die Gipfel der Alpen. Den Pilgerstempel gab es in einer kleinen Kirche in Epalinges, die Kathedrale in Lausanne hätte auch noch einen gehabt. Ich muss im Pilgerpass aber Platz sparen, da reicht ein Stempel am Tag. Nur auf den letzten 100 km brauche ich zwei davon.
Lausanne hat viel zu bieten, ein Besuch lohnt sich. Leider wissen das auch die Hoteliers, sie schlagen ordentlich zu. Dass das IOC hier wohnt, tut sein Übriges. Und der Genfer See natürlich. Die Jugendherberge hat 320 Betten, ist rappelvoll und sehr laut. Lauter pubertierende, rumschreiende Teens. Hoffentlich kann ich heute Nacht schlafen.
31.8.22 Mittwoch Lausanne – Etoy 20,9 km
Ich habe schlecht geschlafen. Die Kinder haben noch lange Radau gemacht und dann kamen 23:30 Uhr auch noch zwei weitere Gäste ins Zimmer, die natürlich erstmal die Betten beziehen mussten. Geschnarcht haben die wie kanadische Holzfäller nach der zweiten Flasche Whiskey. Morgens ab 6 dann wieder Radau. Also habe ich schnell gefrühstückt, die Sachen in den Rucksack geworfen und bin los.
Diese Etappe ist wirklich schön. Es geht fast die ganze Zeit am Genfer See entlang und wird doch nie langweilig. In dem wunderschönen Städtchen Morges ist Dahlienfest, ich hab mir am Stand einen Kaffee und ein Croissant gegönnt. Da kein Bargeld angenommen wurde, musste ich mit Karte zahlen, inkl. 1,50 Aufschlag für den Auslandseinsatz. Das ist nicht viel, aber trotzdem ärgerlich. Immerhin läppert sich das über die Dauer der Reise und machte in diesem Fall etwa 30% Aufschlag auf den zu zahlenden Preis aus. Der Kaffee war aber gut.
Ausdrücklich zu loben ist, dass es hier ausreichend öffentliche Toiletten gibt. Diese sind sauber und kostenlos zu benutzen. Da sollte sich jede deutsche Stadt ein Beispiel nehmen.
Da ich viel zu früh losgegangen bin, war genug Zeit zum pausieren. Also gab es bei passender Gelegenheit ein Eis verbunden mit einer Rast im Liegestuhl. Dort habe ich mich mit einer einheimischen Dame unterhalten. Sie meinte, ab hier kommt man nur noch selten ans Ufer, da die Grundstücke der Superreichen bis ans Wasser gehen und umständlich umgangen werden müssen. Auch Herr M. Schumacher wurde in diesem Zusammenhang erwähnt. Zu viel Geld verdirbt leider oft den Charakter. Das am häufigsten gelesene Wort lautet dementsprechend auch „privé“, gleich gefolgt von „interdit“. Schade.
Kurz vor dem Tagesziel konnte ich in einer kleinen Kirche in Buchillon meinen Pilgerstempel ergattern. Die Unterkunft ist ein Self Motel. Hier kommt einmal am Tag jemand zum putzen vorbei, ansonsten sieht man hier niemanden. Den Schlüssel gab es am Digitalsafe, das Frühstück steht im Kühlschrank bereit, Kaffee kocht man selber. Interessant.
1.9.22 Donnerstag Etoy – Rolle – Genf 8,8 km zu Fuß, Rest mit dem Schiff
Heute früh wurde ich erstmal unsanft aus dem Motel geschickt, das Putzteam stand 8:30 vor der Tür und hämmerte an selbige. Checkout war zwar bis 10, aber ich war sowieso fertig und ließ sie ihre Arbeit tun.
Es ging durch eine Kiwiplantage, die Sträucher hingen voller Früchte. Zwischendrin war der Weg zweimal gesperrt, so dass ein Umweg nötig war. Da für heute nur eine kurze Strecke bis zum nächsten Schiffsanleger geplant war, fiel das nicht weiter ins Gewicht. Nachdem ein kleiner Wald durchquert war, kam ich auch schon nach Rolle, wo bis zur Abfahrt des Schiffes nach Genf noch eine gute Stunde blieb. Also schaute ich mir das kleine Städtchen an und verbrachte den Rest der Zeit damit, den weiteren Weg zu planen.
In Genf steppt der Bär, es ist sehr viel los, beinahe hektisch. Ist ja auch soooo schön hier. Alles ist voller Luxusläden, wer hat eigentlich das Geld dafür? Na gut, das internationale Rote Kreuz, die WHO und die UNO sitzen hier, aber die werden doch unser Geld nicht in privaten Luxus stecken, oder? Ich habe mich auf dem Streetfoodfestival versorgt, ein Hamburger mit Pommes 24 CHF. Vorher gab’s noch den Pilgerstempel in der Kathedrale.
2.9.22 Freitag Genf – Charly 28,6 km
Die morgendliche Hektik in Genf ist der Wahnsinn. Bislang habe ich die schweizer Verkehrsteilnehmer als sehr rücksichtsvoll erlebt, in Genf ist das Gegenteil der Fall. Hier wird gedrängelt, alle Arten von Zweirädern versuchen, als erstes am Ziel zu sein. Da geht es auch mal über den Fußweg oder eine rote Ampel. Zum Glück wurde ich nicht überfahren und kann den Weg fortsetzen.
Ab Carrouge wurde es ruhiger. Der Weg wich deutlich von meinem GPX-Track ab und führte durch einen Wald zur französischen Grenze, wo es einen Stempel und ein paar Information gab. Dann ging es leicht aufwärts durch mehrere Dörfer, bis man einen schönen Blick zurück auf Genf und den See hatte.
Die Pilgerherberge in Charly ist ein recht altes Haus, wo man für 15 Euro übernachten kann. Ein paar Lebensmittel stehen zur Verfügung, dafür soll man einen Extrabetrag dalassen. Das war in meinem Fall nicht nötig, es war Markt, naja, Minimarkt, aber egal, es gab ein Bier und ein Börek mit Gemüsefüllung. Mehr braucht der Pilger doch nicht.
3.9.22 Samstag Charly – Frangy 19,3 km
Der Tag war ganz anders geplant, eigentlich sollte es nach Desingy gehen. Leider gibt es von den drei im Pilgerführer angepriesenen Herbergen nur noch eine und die ist voll. Der nächste Ort mit Übernachtungsmöglichkeit Les Cotes wäre mir zu weit gewesen.
Wie durch Zufall traf ich in der Pizzeria einen Pilger aus Südtirol, der genau das gleiche Problem hatte. Er hat ein Privatzimmer vermittelt bekommen und mich eingeladen mitzukommen. Die örtliche Herberge in Frangy ist nämlich auch voll.
Wenigstens gibt es hier eine Tourist-Info, die uns ein Zimmer für die nächste Etappe in 28 km Entfernung in Serriéres 2 km abseits vom Weg gebucht hat. Die Franzosen nehmen einen Festbetrag pro Zimmer, egal, ob da einer oder zwei drin schlafen. Hoffentlich schnarcht er nicht so arg.
Der Weg war wieder schön, eine himmlische Ruhe herrscht hier und es gab wieder tolle Ausblicke. Nur die arg ausgewaschenen Pisten ärgern etwas die Füße.
4.9.22 Sonntag Frangy – Serriéres en Chautagne 28,4 km
Die Unterkunft lag etwas vor Frangy, also ging es heute gleich noch mal in diesen Ort, wo es für den Pilger Verpflegungsautomaten gibt. Am Ortsausgang hat ein kleines Motorradrennen stattgefunden, die Straße war gesperrt. Zum Glück bin ich früh genug los und konnte die Strecke noch passieren.
Morgens gab es noch ein paar Höhenmeter, ab dem schönen Örtchen Seyssel war die Rhone erreicht und es ging auf einem asphaltiertem Radweg weiter. Einige Hunde begrüßten mich von ihren Grundstücken. Sie nehmen ihren Job als Wachhund sehr ernst. In Seyssel gab es gratis einen Oldtimercorso zu bewundern. Das Restaurant war mir aber zu teuer, also gab es Croissant aus dem Rucksack. Dafür gönne ich mir in Serriéres ein ordentliches Abendessen. Das Zimmer in der Auberge kostet zu zweit nur 55 Euro, da geht das.
Es sind jetzt keine 1800 km mehr bis Santiago.