Spaziergang nach Santiago de Compostela Woche 16

25.5.23 Palas de Rei – Arzúa 28,2 km

Der Morgen war gut, erstens hatte ich trotz der 22 Betten im Zimmer einigermaßen gut geschlafen und zweitens hielt sich die Schlange beim Frühstück in Grenzen.

Dann dachte ich, wo sind all die Pilger, Wanderer und Touristen hin? Es war ungewöhnlich ruhig auf dem Weg. Das lag aber daran, dass ich durch die Lage der Herberge am Ortsausgang 1 km Vorsprung hatte. Nach der ersten Pause war ich wieder mittendrin im Pulk. Komischerweise ging mir das heute aber gar nicht so sehr auf die Nerven.

Der Weg war landschaftlich wieder sehr schön, auf einer etwas längeren Alternativstrecke hatte ich sogar mal für eine halbe Stunde so richtig Ruhe und Muße, die Natur zu genießen. Eichenwälder wechseln sich mit Eukalyptusplantagen ab, dazwischen stehen Kühe auf der Weide. Verpflegungs- und Rastmöglichkeiten gab es wieder ausreichend, da mangelt es an nichts.

Hier sind viele Häuser und Grundstücke zu verkaufen, vermutlich sogar recht günstig. So ein Häusle mit etwas Acker, das wäre fein. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.

großer Traktor auf kleinem Acker
zu verkaufen
Pilgerbank

26.5.23 Arzúa – Lavacolla 32,3 km

Die Herberge war schön, eine Treppe statt einer Leiter führte auf die obere Etage der Stockbetten. Die Hälfte der Betten blieb frei, daher war auch genug Platz. Es kann daher zumindest für die letzten 116 km ab Sarria Entwarnung gegeben werden, was die Betten angeht. Die Herbergen sind wie Pilze aus dem Boden geschossen, Galicien hatte sich auf das heilige Jahr 2021/22 gut vorbereitet.

Das Frühstück war entspannt und preiswert. Da es im Ort nur zwei Herbergen vor der Bar gibt, musste ich nicht warten und 3 Euro sind wahrlich nicht zu viel für einen Kakao und Toastbrot.

Von dem Camino del Norte und der Via de la Plata, die beide bei Arzúa auf den Camino Frances treffen, schienen nicht allzuviele Pilger hinzuzukommen, es war ungefähr so voll wie gestern. Ab ca. 14:00 Uhr war dann fast gar nichts mehr los, die meisten Pilger hatten da ihre Herberge schon erreicht. Mehr als 30 km am Tag gehen hier die Wenigsten.

So ist es kein Wunder, dass hier die unteren Betten alle mit Kurzstreckenläufern mit Koffer/Rucksacktransport belegt sind und ich mal wieder oben schlafen darf. Ich werde es überleben. Zu essen gibt es hier weit und breit nichts, die Herberge hat aber eine Küche. Mal sehen, ob ich zum Kochen Lust habe. Morgen ist es ja nicht weit und am Mittag gab es schon was.

Aufbruch im Morgenrot
imposanter Hohlweg bei Lavacolla

27.5.23 Lavacolla – Santiago de Compostela 10 km

Da ich beim Pilgerbüro eine etwas längere Wartezeit eingeplant hatte, gab es heute nur eine kurze Etappe. Die Nacht war für eine Herberge in Ordnung, 7:00 ging es los und eine Stunde später gab es kurz vor dem Monte do Gozo Frühstück. Vom Berg aus konnte man die Türme der Kathedrale sehen, in der Stadt hieß es dann trotzdem wieder suchen.

Auf dem Vorplatz der Kathedrale gab es dann erstmal ein Hallo, ich traf einige Pilger wieder, die ich unterwegs aus den Augen verloren hatte. Das gab ein paar Umarmungen und Glückwünsche. Danach ging es zum Pilgerbüro, die Compostela abholen. Das ging viel schneller als erwartet.

Da ich mich bereits vorab per Internet registriert hatte, vergingen kaum 10 Minuten und ich hatte die Diplome in der Hand. Der Volunteer am Schalter wusste nicht, wie weit es von Karlsruhe bis hierher ist, woher sollte er auch. Er hat die 2500 km in die Distancia eingetragen, die ich ihm nannte. Das sorgte für eine anerjennende Bemerkung am Nachbarschalter. Üblich sind hier die 116 km von Sarria aus oder auch die 778 km von Saint Jean pied du Port. Naja, die Zeit für die ganz lange Strecke muss man auch erstmal haben.

Morgen ist Ruhetag, das haben sich meine Beine und auch der Kopf verdient.

28.5.23 Ruhetag in Santiago de Compostela

Heute wurde nicht gewandert. Ich habe bis 7:30 geschlafen und dann erstmal die Schuhe geputzt so gut das ging. Die hatten das bitter nötig. Dann ging es mit Roxana, einer Pilgerfreundin, zum Frühstück gegenüber vom Pilgerbüro, welches gerade aufmachte.

Als nächstes war ein Besuch im Pilgermuseum an der Reihe, welches leider bereits um 11:00 Uhr seine Türe schloss. So blieb das obere Stockwerk unentdeckt. Dann hieß es Andenken kaufen. Die Fahrt mit dem Touristenbähnle fand ich nicht so interessant.

Während des Kaffees schlug das Wetter um und im Verlauf des Nachmittags kam ein heftiges Gewitter runter. Zu Abend wurde in einer urigen Kneipe gegessen, die aussieht, wie eine Lagerhalle. Geschmeckt hat es super.

Leider musste ich mich heute von zwei Pilgerfreunden verabschieden, die mich einen Teil des Weges begleitet hatten. Vielleicht ist der Abschied ja nicht für immer und man trifft sich in Deutschland noch einmal.

29.5.23 Santiago de Compostela – Negreira 22,8 km

Während eines Ruhetages erholt sich der Körper und danach geht es leichter, so dachte ich jedenfalls bis jetzt. Bei mir ist das Gegenteil der Fall. Nach nur 22 km tut mir alles weh. Die Beine, der Rücken, die Hüfte, alles schmerzt. Ich komme kaum runter, die Schuhe zu binden. Das kann was werden. Was solls, Santiago habe ich zu Fuß erreicht, jetzt habe ich vor dem Bus keine Scheu, falls es nicht mehr geht. Aber das sehen wir morgen.

Es waren heute erwartungsgemäß viel weniger Pilger unterwegs als in den vergangenen Tagen. Die Landschaft ist toll, auch wenn man ziemlich oft auf Straßen marschieren muss. Leider gibt es auch deutlich weniger Bars und Restaurants unterwegs. Eines bei km 79 wurde mehrfach ganz groß angekündigt und hatte geschlossen. Der Barkeeper im nächsten Ort hatte gut Stress, konnte den Ansturm aber meistern. Es gab Spiegeleier mit Speck.

Da die ganze Welt ein kleines Dorf ist, ist es eigentlich kein Wunder, dass ich so kurz vor dem Ende der Welt einen ehemaligen Kollegen getroffen habe. Ich hatte ihn erst gar nicht erkannt. Das war ein Hallo. Er kam gerade von der Via de la Plata und hatte dort um die 35°C zu verkraften.

Negreira – Olveiroa 36,1 km

Ich hätte heute Morgen nicht gedacht, dass ich die lange Etappe schaffe. Aber mit ein paar Dehnübungen und einer Ibuprofen ging es dann doch. Ich war bereits gegen 6:00 munter und nutzte das freie Sanitärareal für die nötigen Geschäfte. Da ich beim Anziehen meine liebe Mühe hatte, kam ich erst um 7:00 aus dem Haus. Schräg rüber war eine geöffnete Bar, also erstmal frühstücken.

Auf dem Weg ging es dann von km zu km besser, regelmäßige Pausen waren Pflicht. Leider war es recht straßenlastig, hin und wieder war aber auch schöne Natur zu sehen. Hier in Olveiroa rannte kurz vor der Herberge ein älterer, ziemlich rüpelhafter Italiener an mir vorbei, um vor mir einchecken zu können. Bettenwettrennen live sozusagen. Er checkte gleich 5 Personen ein. Naja, ich hatte meine Reservierung, von daher war es egal.

Nebel am Vormittag
Kornspeicher
Freilaufende Hunde gibt es hier einige, die tun aber nichts.

31.5.23 Olveiroa – Kap Finisterre 36,8 km

Da bin ich nun am Ende der Welt und weiß gar nicht, wie ich meine Gefühle in Worte fassen soll. Einmal Karlsruhe – Santiago – Finisterre zu Fuß, knapp 2600 km, verrückt, oder? Ich werde eine Weile brauchen, um im Alltag anzukommen.

Der Weg zeigte sich heute von seiner schönsten Seite, auch wenn es am Morgen noch neblig war. Wenig Pilger waren unterwegs, gerade so viel, um sich nicht einsam zu fühlen. Dann der erste Blick aufs Meer vor Cee, Wahnsinn. Der Einmarsch nach Fisterra im Pinienwald ist auch toll und mein Zimmer in der Casa Felisa für gerade mal 30 € ist top.

Die Socken sind durchgelaufen und fanden ihren Weg in den Müll. Verbrennen ist aus gutem Grund nicht mehr erlaubt. Die Schuhe, ein Paar Quechua Forclaz 500 von Decathlon, sehen nach 1200 km hingegen noch richtig gut aus. Das habe ich nicht erwartet, zumal sie recht günstig waren. Ein Daumen hoch dafür.

Die Urkunde hier bekommt man nicht mehr im Tourismusbüro, das hat geschlossen. Stattdessen geht man wieder in die staatliche Herberge. Sie kostet nichts, eine Spendenbox steht jedoch zur Verfügung. Hab da natürlich auch was reingeworfen.

Zu den gut 36 km kommen heute noch 4 km Rückweg zur Pension, das macht dann runde 40 km. Kein Problem, eingelaufen bin ich ja nun. Morgen geht es mit dem Bus nach Porto und übermorgen mit dem Flieger heim. Einerseits freue ich mich auf mein eigenes Bett, andererseits habe ich mich sehr an das tägliche Laufen gewöhnt. Naja, Deutschland hat auch schöne Wege, ein wenig Zeit bis zu meinem beruflichen Neustart bleibt ja noch. Bitte drückt mir die Daumen, dass ich wieder gut im Berufsalltag ankomme.

rechts oder links, Muxia oder Fisterra?
Der erste Blick auf das Meer.
geschafft, km 0,000

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